Mittwoch, 27. April 2016

Otto Flath: Ein Leben nur für die Kunst

Von Nadine Materne 
Ausstellung zum 110. Geburtstag des Bildhauers — Der Segeberger schuf 3512 Skulpturen — Ohne seine Zieheltern Ellen und Willy Burmester wäre er nie so produktiv gewesen.





 Wer nur flüchtig in den Gang zum Bürgersaal im Rathaus einbiegt, könnte meinen, Otto Flath stehe dort in der Ecke und bearbeite eine seiner Holzskulpturen. Späne liegen auf dem Boden. So manch einer soll den lebensgroßen Pappaufsteller schon gegrüßt haben, sagt Heimatforscher Peter Zastrow. 110 Jahre alt wäre Otto Flath am 9. Mai geworden. Anlässlich dieses Geburtstages haben Zastrow und Hans-Werner Baurycza eine Ausstellung über den Ehrenbürger Bad Segebergs im Rathaus erarbeitet, die das doch eigenwillige Leben Flaths in den Vordergrund stellt.

Ein Leben, das ohne Ellen und Willy Burmester nicht denkbar gewesen wäre, erklärt Zastrow bei der Eröffnung der Ausstellung diese Woche. Das kunstinteressierte Paar trat in der wirtschaftlich schwierigen Zeit Anfang der 1930er Jahre in das Leben des damals 25-jährigen Kunststudenten. Als gelernter Elfenbeinschnitzer und Bildhauer mit nur zweieinhalb Jahren Schulbildung hatte Flath wenig Zukunftsperspektive. Als eines von sieben Kindern in der Nähe von Kiew in der Ukraine geboren, wurde die Familie mit deutschen Wurzeln im Ersten Weltkrieg vertrieben und kam 1919 in Melsdorf bei Kiel an. Schautafeln führen den Besucher durch Flaths Leben: Nach der Ausbildung zum Elfenbeinschnitzer arbeitet er später eine Weile in einer Möbeltischlerei, bis ihm wegen der Weltwirtschaftskrise gekündigt wird. 1929 erhält Flath dann ein Stipendium an der Kunst- und Gewerbeschule in Kiel und trifft die Burmesters.
„Die Burmesters waren kinderlos, ihre Ziehtochter hatte gerade das Haus verlassen, sie nahmen Flath unter ihre Fittiche“, sagt Zastrow. Ab da waren die drei unzertrennlich. „Otto trägt einen Ring“, deutet Zastrow auf die linke Hand des Pappaufstellers. „Nach eigenem Entwurf. Auch Willy und Ellen trugen ihn. Als Zeichen ihrer Verbundenheit.“ Die Burmesters ermöglichten Flath, seine Liebe auszuleben: von morgens bis abends Skulpturen zu schnitzen. Er musste sich um nichts mehr kümmern, bekam seine eigene Werkstatt.

Als Student folgte Flath noch keiner Richtung, fertigte unter anderem humoristische Zeichnungen an — einige davon sind in der Ausstellung zu sehen. In seinen Holzskulpturen fanden sich Themen seines Lebens wieder: Flucht, Vertreibung, Armut. Ellen Burmester, aus gutsituiertem Hause — „eine echte Bohémien“ — formte Flaths Werk, sagt Zastrow. „Nicht die Not müssen Sie darstellen, sondern wie man da herauskommt“, soll sie ihm gesagt haben. Sie führte ihn an den christlichen Glauben heran — die geistige Grundlage seines Schaffens. Täglich, so Zastrow, tauschten sich Ellen und Otto über weitere Werke aus, sie verwirklichte in Flath ihre Kunstvorstellung und machte „ordentlich Promotion“. Besonders, nachdem die drei nach Bad Segeberg gezogen waren — Marineoffizier Willy Burmester wurde 1936 nach Trappenkamp versetzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Flath zum Flakdienst eingezogen und 1946 aus amerikanischer Gefangenschaft freigelassen worden war, baute Ellen die Flath-Ausstellung auf. Otto stand den ganzen Tag in der Werkstatt, interessierte sich nur für seine Skulpturen. Zastrow: „Otto war ein Workaholic.“ Er schuf 3512 Skulpturen. „Was um ihn herum geschah, interessierte ihn nicht.“ Offenbar auch keine Liebschaften. Frauen wurden von den Burmesters offenbar auch aus Flaths Leben ferngehalten. Erst nach dem Tod der Burmesters 1977/78 zog er mit einer Frau zusammen: Gerda Orthmann. „Das war aber mehr freundschaftlich“, sagt Baurycza, der Flath noch persönlich gekannt hat. Am 10. Mai 1987, einen Tag nach seinem 81. Geburtstag, starb Flath.

Bis zum 11. Juni wird im Rathaus Bad Segeberg eine Ausstellung über den Bildhauer Otto Flath gezeigt. Schautafeln, Skulpturen und Videofilme geben Einblick in Flaths Tagesablauf und das Zusammenleben mit seinen Förderern. Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen.

Am 9. Mai , dem 110. Geburtstag Flaths, hält Peter Zastrow im Bürgersaal einen Vortrag zum Ehrenbürger der Stadt. Beginn: 19.30 Uhr.

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